DR. NADJA BÜTEFÜHR
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Meine Position zu G9 und zum Volksbegehren



Die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf acht Jahre hat sich nicht bewährt. Ein wichtiges Argument bei der Einführung von G8 war, den jungen Leuten den früheren Eintritt ins Berufsleben zu ermöglichen. In der Praxis wurde das nicht in erhofftem Umfang erreicht. Vielmehr wurden Nachteile sichtbar: Die persönliche Entwicklung vieler Schülerinnen und Schüler, Kindheit und Jugend blieben im System G8 ein Stück weit auf der Strecke. Es zeigte sich auch, dass viele nach dem Abitur orientierungslos waren. Sie hatten noch nicht die Reife und brauchten noch Zeit, um die Weichen für ihre berufliche Zukunft stellen zu können.

Aus diesem Grund haben zahlreiche junge Männer und Frauen nach dem Schulabschluss zum Beispiel noch ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. Grundsätzlich ist das nichts Negatives, nur sollte die Entscheidung für einen solchen Schritt aus Überzeugung – und nicht aus Orientierungslosigkeit – erfolgen. Faktisch wurde der Weg zur Berufswahl für diese Abiturienten doch wieder zu einem neunjährigen Prozess.

Eine einheitliche Rückkehr zu G9 wäre darum aus meiner Sicht wünschenswert. Diese klare Regelung würde dem Lernstress und der Verunsicherung vieler junger Leute ein Ende machen und sie würde den bürokratischen Aufwand an den Schulen gering halten.

Die SPD hat sich in NRW nun für ein Flexi-System entschieden. Und es ist gut, dass das Abitur nach neun Jahren damit wieder möglich wird. So ist ein Schritt in die richtige Richtung gemacht. Wenn die Gymnasien künftig beide Abschlüsse parallel anbieten, muss allerdings sehr genau beobachtet werden, wie sich das System entwickelt. Sollte es dazu kommen, dass die Sorge vor schlechteren Startchancen alle nach dem Abitur in acht Jahren streben lässt, würden die Ziele der G8-Reform auf der Strecke bleiben. Zudem könnte der finanzielle Hintergrund der Elternhäuser bei einem solchen Wettrennen – z. B. durch den Einkauf von Nachhilfe und durch teure Auslandsaufenthalte – künftig wieder stärker ins Gewicht fallen. Sollten sich diese Befürchtungen von Kritikern bewahrheiten, müsste diese Parallelstruktur wieder abgeschafft werden. Als Zusatzangebot für Schülerinnen und Schüler, die weiter entwickelt oder hochbegabt sind, könnte das Flexi-System aber auch nützlich sein und verdient eine Chance. Nämlich dann, wenn G8 künftig eher die Ausnahme als die Regel für den Schulabschluss wäre – und G9 nicht zum Abitur zweiter Klasse abgewertet wird.

Das Volksbegehren für G9 kann ich allerdings nicht unterstützen. Denn es fordert nicht nur die Rückkehr zu G9, sondern es will den Halbtag an Gymnasien wieder einführen und gleichzeitig die Unterrichtszeit an allen weiterführenden Schulen in der Sekundarstufe I verkürzen. Als Konsequenz müssten Förderungs- und Vertiefungsangebote wegfallen. Vor allem Schülerinnen und Schülern aus nicht so privilegiertem Elternhaus wären damit an allen Schulformen wieder schlechter gestellt.

Diese Entwicklung steht einem wichtigen Ziel der SPD entgegen – der Chancengleichheit für alle Kinder. Denn nur das ist sozial, gerecht und solidarisch. Meine klare Haltung.